Was wir glauben müssen:

  1 – Die Glaubensartikel

  2 – Das Dekret der Menschwerdung

  3 – Das Dogma Gottes

  4 – Die letzten Dinge im Glaubensbekenntnis

  5 – Die übernatürliche Ordnung

  6 – Gott, Zentrum der übernatürlichen Ordnung

  7 – Gott, Zentrum der übernatürlichen Ordnung und Lohn für unsere Treue

  8 – Der eucharistische Jesus als Mittel, um das übernatürliche Leben zu erlangen

  9 – Das Wunder

10 – Das Geheimnis

10 - Das Geheimnis

Liebe Töchter: eine von euch hat mir sehr besorgt geschrieben und nun will ich euch helfen zu verstehen, worin die Undurchdringlichkeit des Geheimnisses besteht. Ein Geheimnis ist dem allgemein akzeptierten Begriff nach ein in seiner Aussage klarer Satz, von dem man die einzelnen Begriffe kennt - in seinem innersten Wesensgrund jedoch ist es dunkel und sogar undurchdringbar. Betrachten wir z.B. das folgende christliche Dogma: „Gott ist eins in seinem Wesen, dreifaltig in den Personen." Die Begriffe sind klar: Gott - Einheit - Dreiheit. Aber der Satz drückt eine Beziehung aus, die die menschliche Intelligenz in der Verbindung der Begriffe nicht klar erkennen kann. Deshalb findet sich die Dunkelheit nicht in der Sache selbst, denn was ausgedrückt wird ist kein Widersinn, kein Absurdum, sondern eine Wirklichkeit, die in sich selbst klar ist. Die Dunkelheit befindet sich in unsere Intelligenz, die die Begriffe in Verbindung bringen muss, zwischen denen jeder Gedanke sich notwendigerweise bewegt und die aus dem Vergleich die Idee erstellen muss, die sich aus der Wahrheit im Geist formen soll. Daher rührt die Verzweiflung, die die Geheimnisse auslösen. Denn die Vernunft, wie sehr sie sich auch anstrengt, findet die innere Verbindung der Begriffe nicht und muss das Geheimnis blind annehmen. Sie spürt also das bittere Gefühl der eigenen Ohnmacht, der eigenen begrenzten Sichtweise. Aber was kann man daraus logischerweise ableiten? Etwa die Ablehnung der unverständlichen Wahrheit? Nein, meine Töchter, man kann daraus nur die Erkenntnis und das demütige Bekenntnis der eigenen Unfähigkeit ableiten.

Bedenken wir: Gott ist ein in seinen Vollkommenheiten und Werken unendliches Wesen, das von der Begrenztheit jedweder anderen Intelligenz, die nicht seine eigene ist, nicht gefasst werden kann. Aufgrund dieser Tatsache ist es klar, dass alle Wahrheiten, die die Gottheit betreffen, für die begrenzte Intelligenz des Menschen tiefe Geheimnisse sein müssen.

Selbst diejenigen Wahrheiten über das göttliche Wesen und seine Attribute, die die menschliche Vernunft erahnen kann und die somit die natürliche Ordnung nicht übersteigen, sind echte Geheimnisse, da wir sie nie völlig verstehen werden, auch wenn wir ihre Wirklichkeit wahrnehmen. Das betrifft die Art und den Wesensgrund der höchsten Wahrheiten, wie z.B: „Gott ist immens groß." Diese Wahrheit ist für unsere Intelligenz relativ klar. Durch den Begriff der Größe versteht sie, dass Gott dieses Attribut besitzt. Aber, meine Töchter, auf welche Art und Weise erfüllt Gott den Raum des Himmels und die Abgründe. Wie ist Gott an jedem Ort gegenwärtig - ohne Teilung und ohne Veränderung. Das können wir nicht verstehen, das ist ein Geheimnis. Wo war Gott, bevor er sich selbst den königlichen Palast des Himmels gebaut hat?

Die Vernunft und selbst der Mund der Kinder antwortet, dass er bei sich selbst war. Aber sagt mir: versteht der erwachsene Mann, der weise Mann - vom Kind will ich jetzt nicht reden - was es bedeutet „Gott war in sich selbst", derart, dass „in sich selbst sein" gleichbedeutend mit „sein" ist, weil Er ewig und notwendig ist? Ein ersteht ein neues, unergründliches Geheimnis im Reich der auf natürlich Weise erkannten Wahrheiten.

Meine Töchter: wenn uns die hier aufgeführten Beispiele schon als unergründliche Geheimnisse erscheinen, was wird dann mit den höchsten Wahrheiten sein, die das göttliche Wesen betreffen, die menschlichen Fähigkeiten total übersteigen und nur mit dem göttlichen Teleskop des Glaubens erblickt werden können? Wie kann man beispielsweise verstehen, dass sich eine einzige, unteilbare und in sich selbst einfache Wesenheit ganz in drei Personen befindet, die sich so voneinander unterscheiden, dass die eine nicht die andere ist und dass die drei gleichzeitig ein einziges Sein sind? Ist vielleicht verständlicher, dass Gott im reinen Schoß der Jungfrau Mensch geworden ist, ohne dass er seine Herrlichkeit eingebüßt hat? Kann die menschliche Intelligenz wagen, die Tiefen jener Abgründe zu erforschen? „Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann" - sagte Gott zum demütigen und klugen Ijob - „ich will dich fragen, du belehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt."

Wusstest du, dass du geboren werden würdest? Kanntest du die Zahl deiner Tage? Weißt du, auf welchen Wegen sich das Licht verbreitet und wie die Wärme sich auf der Erde verteilt? Wer ist der Vater des Regens und wer bringt die Tautropfen hervor? … Kennst du die Gesetzte des Himmels und wendest du ihre Regeln auf die Erde an? Wer hat die Weisheit ins Herz des Menschen gesenkt und wer hat dem Hahn den Instinkt verliehen, so dass er sein Krähen regelt?

So wird Gott zu jeder Zeit die schwache und verwegene menschliche Vernunft irritieren, die sich anmaßt, mit der unendlichen Weisheit zu diskutieren und die Geheimnisse des Allerhöchsten zu kennen.

Vergessen wir nicht, dass diese Eigenschaft der Unverständlichkeit, die jedem Geheimnis innewohnt, keineswegs die Gewissheit des Glaubens verhindert. Nur weil ein Satz unverständlich ist, ist er deswegen weniger sicher? Ein Begriff ist nicht notwendigerweise an einen anderen gekoppelt. Mit welchem Recht stellt man den folgenden berühmten Satz als unumstrittenes Prinzip auf: „Ich glaube nur das, was ich verstehe" ? Warum sollte man nur das als gewiss und sicher ansehen, was die menschliche Vernunft verstehen kann und den ganzen Rest als falsch verwerfen? Das angesprochene Prinzip ist anmaßend, äußerst hochmütig und absurd, denn es setzt eine der folgenden drei Dinge voraus, die alle gleichermaßen falsch sind: entweder die unendlichen Möglichkeiten der menschlichen Vernunft, weshalb diese Vernunft alle Wahrheiten beinhalten muss; oder die Begrenztheit der Wahrheit, weshalb die Wahrheit die Grenzen der endlichen Vernunft nicht überschreiten darf; oder dass es kein anderes Mittel gibt, sich der Wahrheit zu vergewissern, als die unmittelbare Evidenz. Wer würde nicht erkennen, meine Töchter, dass diese drei Hypothesen unmöglich annehmbar sind?!

Wir wissen, dass die Autorität des Zeugnisses von der Qualität des Zeugen her kommt. Wenn man das voraussetzt, ist das Zeugnis die unbestreitbare Grundlager der rationalen Gewissheit. In der übernatürlichen Ordnung, für die wir die göttliche Hilfe und die Gnade des Glaubens annehmen, wird dies umso mehr so sein! Aber auch ohne diese kann und muss (ethisch gesehen) die Vernunft aus dem Glauben in das menschliche Wort leben. Dieses Vertrauen ist vor allem im praktischen Leben wichtig. Was würde mit einem Individuum und mit der Gesellschaft geschehen ohne dieses Vertrauen?

Wenn das Geheimnis auch von einem undurchdringlichen Schleier bedeckt ist, so dass die Bemühungen unnütz und vergebens wären, ihn zu lüften und die verborgene Wahrheit in all ihrer Klarheit zu betrachten, so kann man sie doch beleuchten durch rationale Belege, die sich auf übernatürliche Wahrheiten oder Fakten gründen, die man mit Gewissheit kennt.

Das Geheimnis, meine Töchter, wird immer Geheimnis bleiben, aber es kann für die Vernunft glaubwürdig und akzeptabel werden. Sagen wir, Dienerinnen der Barmherzigen Liebe, also: „Ich glaube an das Geheimnis, auch wenn es mir eine Wahrheit darbietet, die von leuchtenden Schatten verborgen wird."

Ich glaube an das Wunder, auch wenn sein helles Licht die kranken Augen meiner schwachen Vernunft blendet. Ich glaube, denn ich weiß sehr wohl, woher mein Glaube kommt; ich weiß, wer mich stützt und wohin Er mich erheben will, gleichsam auf einer Leiter, die auf Erden steht, aber den Himmel berührt."

„Ich weiß, dass mein Glaube von Gott kommt, der die höchste Wahrheit ist, die mitgeteilt werden kann. Ich weiß, dass mein Glaube in seinem unfehlbaren Wort wurzelt und mich auf den Flügeln der christlichen Hoffnung zum Besitz des höchsten Gutes führt. „Durch das Licht des Glaubens hoffen wir, eines Tages zum Reich des Lichtes zu gelangen, zur Anschauung unseres Gottes. (El pan 18, 389-406)


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ultimo aggiornamento 05 settembre, 2013