Die Sünde - Teil I

Liebe Töchter, ich denke, dass ihr alle wisst, dass es nicht notwendig ist, ein sogenannter Verbrecher zu sein, um Sünden anzuhäufen. Es reicht, Sklave einer oder mehrerer sündhafter Leidenschaften zu sein: der Unzucht, des Neides, des Geizes, des Zornes oder irgendeiner anderen Leidenschaft. Denn welche Gedanken und Wünsche werden genährt unter der Herrschaft dieser Gewohnheiten, die das Herz vergiften! Von dort kommen die unzähligen und schweren Verfehlungen, nicht nur in Werken, sonder öfter noch in Worten und noch mehr in Gedanken und Gefühlen.

Sagt mir, meine Töchter, diejenigen die so leben (und es sind viele, leider auch gottgeweihte Seelen): welche - zumindest praktische - Idee haben sie von der Sünde? Denken sie manchmal an ihre Bosheit, an die Verantwortung die sie Gott gegenüber anhäufen? Komplett zerstreute Seelen, verloren im Zeitvertreib des Lebens, seid ihr euch nicht im Klaren über eure Taten? Wohin lauft ihr, getrieben im Strudel der Welt und wohl bis an euer Lebensende?

Die Todsünde

Liebe Töchter, betrachten wir, wie Gott selbst die Todsünde definiert. Es gibt nichts häufiger in den den Propheten und Psalmen als den Titel der Ungerechtigkeit, welcher der Sünde - sowohl in Worten als auch in Taten - zugeschrieben wird. Die Sünder werden bezeichnet als diejenigen, die Unrecht tun. „Sie reden und verbreiten Unrecht" sagt David. „Ich erkenne mein Unrecht. Herr" ruft er bereuend im Miserere aus. „Meine Sünde steht mir immer vor Augen".

Sicherlich wurde dieser Mann von seinen Leidenschaften zu schweren Verfehlungen verleitet, wie zum Ehebruch und zur Ermordung des großzügigen Uria. Aber wie viele gibt es, die David in den Missetaten übertreffen und doch weit davon entfernt sind, seine Gefühle der Reue zu empfinden? „Was ist das Unrecht?" fragt mich eine unter euch. Meine Tochter, Unrecht ist die Bosheit, die Unkeuschheit, der Geiz und alle Laster, von denen die Menschen und heutzutage leider auch gottgeweihte Seelen befallen sind. Und das, obwohl sie wissen, wie sehr die Sünde den Herrn beleidigt, wie sehr er sie hasst und die Gerechtigkeit liebt und wie ihm, dem unendlich Heiligen und Reinen, der Anblick der Sünde ein ähnliches Grauen einflößt, wie uns der Anblick ekliger Dinge. Deshalb gibt die Schrift der Sünden den Namen des Verfalls und der Verwesung.

Meine Töchter: Jesus, der Retter des Menschengeschlechts, wollte in seiner Passion erscheinen, bedeckt mit Speichel und befleckt mit seinem eigenen Blut, um mit den Flecken seines göttlichen Antlitzes das Gräuel so vieler Verbrechen zu waschen.

Namen der Sünde

Eine von euch fragt mich: „Madre, hat die Sünde noch andere Namen oder Bezeichnungen?" Ja, meine Tochter, aber dich muss vor allem ihre Schwere interessieren. Trotzdem werde ich dir einige sagen. Die Sünde heißt auch Joch, Bitterkeit, Sklaverei, Trauer, Nacht, Finsternis, schändliches Werk des Todes, des Teufels, niederträchtig Verweigerung u.s.w.

„Ich weiß, Madre, dass Jesus durch die Sünde verletzt wird. Er hasst sie, verabscheut sie und trotzdem begehe ich leicht Sünden und weiß nicht, was ich tun soll. Ich glaube, dass mich meine Unwissenheit oft dazu führt, meinen Gott zu beleidigen."

Glaubst du das wirklich, meine Tochter? Ist es nicht vielmehr dein Stolz, dein Hochmut, deine Eitelkeit, deine mangelnde Nächstenliebe und vor allem dein Verschlossensein in dich selbst? Ich glaube nicht, dass dich deine religiöse Unwissenheit oder dein Mangel an Glaube dazu bringt, Jesus zu beleidigen, sondern das, was ich dir gesagt habe. Weißt du, meine Tochter, wo die Heiligen gelernt haben, die Sünde zu verabscheuen und an welcher Quelle sie die Weisheit getrunken und gelernt haben, abgetötet, geduldig, etc. zu sein? In der Schule der Demut, in der man lernt, sich selbst und Gott zu erkennen.

Um heilig zu sein, meine Tochter, bedarf es keiner großen Intelligenz oder Kultur. Es reicht aus sich selbst herauszugehen und in Gott einzugehen, sich selbst zu verleugnen und Gott zu lieben. Das Leben der Heiligen ist nichts anderes als eine feierliche Verurteilung der Unordnung der Welt und ihre Schriften zeigen den echt christlichen Maßstab angesichts der Sünde.

 

Die Sünde hassen

Liebe Töchter, bedenken wir, dass es keinen Heiligen gibt, der seinen Weg zur Heiligkeit begonnen hat, ohne in seinem Herzen einen bitteren Hass gegen die Sünde zu verankern. Der erste Schritt im geistlichen Leben ist nämlich der Hass auf die Sünde. Das bedeutet konkret, sich vom Bösen zu entfernen, was eine unabdingbare Voraussetzung ist, um das Gute zu tun und den Frieden zu finden.

Jede Tugendübung ist unnütz für denjenigen, in dem nicht wirklich und wirksam das Prinzip verankert ist, die Todsünde zu hassen. Denn die höchsten und scheinbar solidesten und hervorragendsten Tugenden, wie auch die größten Gaben des Herzens und des Geistes und die großartigsten Werke im Angesicht der Menschen sind nicht nur wenig, sondern gar nichts wert ohne die vollkommene Reinheit der Seele. Und an diese ist nicht zu denken, wenn man sich nicht mit aller Kraft des Herzens vom Gift der Sünde entfernt.

Sagt mir, meine Töchter, welche Abtötungen haben die Heiligen auf sich genommen, um diese Reinheit des Herzens zu erreichen? Welches Martyrium haben sie erlitten, nur um die Unschuld zu bewahren und sich nicht mit Schuld zu beflecken? Und wenn jemand das Unglück hatte, in seiner Jugend die Unschuld zu verlieren, wie hat er diese verloren Unschuld wiedererlangt? Durch Beichte und Buße.

Die Schwere der Sünde

Liebe Töchter, es ist notwendig zu bekennen, dass das göttliche, natürliche und positive Gesetz gerecht ist und dass seine Verletzung eine Sünde darstellt, einen Verstoß gegen die Gerechtigkeit, eine Ungerechtigkeit, ein schwerwiegendes und verabscheuungswürdiges Übel. Es ist nötig, dass der verwirrte und reuevolle Sünder vor dem barmherzigen Gott ausruft: „Herr, ich habe gegen dich gesündigt! Ich habe vor deinen Augen Böses getan! Verzeih mir, mein Jesus. Ich weiß sehr wohl, dass das Böse in deinen Augen das Gegenteil des Guten, des höchsten Gutes, das Gegenteil Gottes ist.

Die Sünde, meine Töchter, ist die Verneinung Gottes. Sie zerstört ihn im Herzen des Menschen und das nicht auf irgendeine Art und Weise, sondern mit einer Gründlichkeit, die erschreckt. Die Gegenwart des rebellischen Engels ist unvereinbar mit der der Schöpfers. Während der Schöpfer auf dem Thron seiner Gottheit sitzt, auf einem ewigen und unzerstörbaren Thron, ist der andere eine schwache Kreatur, ein leichter Windhauch. Er ist die Hölle und muss ins Nichts versinken, oder in etwas Schlimmeres als das Nichts, wenn dies möglich wäre. Das ist das Bild der Gegenüberstellung der Sünde und des göttlichen Wesens. Früher oder später muss die Sünde zerstört werden.

 

Die Bosheit der Sünde

Bedenken wir, meine Töchter: wenn Gott in sich auch nur die geringste Verfehlung zulassen würde, würde er aufhören, Gott zu sein. Er ist Licht, immenses, unendliches, unerschöpfliches Licht und deshalb lässt er keine Spur der Finsternis zu. Finsternis sind die Unwissenheit der Intelligenz und die Bosheit - und somit die Sünde - des Willens. Da die Sünde Gott nicht zerstören kann, zerstört sie ihn wenigstens im Herzen des Menschen, so dass Gott für ihn de facto nicht mehr existiert, da ihn die Sünde aus dem Herzen und aus dem Blick entfernt.

Habt ihr nie gehört, meine Töchter, wie die Gottlosen Flüche gegen den Himmel ausstoßen und schreien: „Gott existiert nicht!" Und der Sünder sagt: „Wenn es Gott gibt, dann hat er mich vergessen; er sieht mich nicht und er wird keine Rechenschaft für meine Taten fordern." Was denkt ihr – woher kommt diese vermessene Leugnung Gottes? Sie atmen verseuchte Luft und wie offene Gräber verbreiten sie Gestank. Letztendlich ist die Sünde die Verachtung unseres Schöpfer aus schändlicher Liebe zum Geschöpf. Gott spricht: „Sie haben mir die Schulter gezeigt; alle haben mich verlassen."

Liebe Töchter, wir müssen immer daran denken, dass die Sünde eine Beleidigung der unendlichen Majestät Gottes ist, ein Missbrauch seiner Güte. Ah, wenn wenigstens wir, Dienerinnen der Barmherzigen Liebe, die Schwere dieser Beleidigung der göttlichen Majestät durch die Sünde verstehen würden! Wer wird beleidigt und wer beleidigt!? Was wir jene Ordensfrau tun, die gesündigt und lange Jahre die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gott zum Narren gehalten hat? Bedenken wir, meine Töchter, dass die Sünde eine verwegene Provokation der Gerechtigkeit Gottes ist, ein verabscheuungswürdiger Missbrauch seiner Barmherzigkeit. Welchen Überschreitungen gibt sich der Sünder hin, wenn der die Gottesfurcht aus seinem Herzen verscheucht hat und vermessen denkt, dass Gott sehr gütig und unendlich barmherzig ist! So als ob die Barmherzigkeit Gottes irgendwie mit einem möglichen Zusammenleben mit der Sünde oder mit einer Nachgiebigkeit gegenüber der Sünde bestehen könnte.

Liebe Töchter, bedenken wir, dass das Werk der Barmherzigkeit und Güte Gottes gegenüber dem Sünder nicht nur darin besteht, ihm verziehen zu haben, sondern auch darin, seinem eigenen Sohn den grausamsten und schändlichsten Tod nicht zu ersparen um uns feige und undankbare Knechte zu retten.

Sicherlich gehören die Barmherzigkeit und die Gerechtigkeit zusammen, meine Töchter, und die Barmherzigkeit übertrifft die Strenge der Gerechtigkeit, aber deshalb hört sie nicht auf, mit der Milde des Erlösungswerkes die Strenge zu vereinbaren. Aber all die Strenge, die sie gegen den schwachen sterblichen Menschen, diesen elenden Wurm, walten lassen konnte, reichte nicht aus, um die Gerechtigkeit eines unendlichen und mächtigen Gottes zu erfüllen. Was also tun, um dem Himmel eine angemessene Sühne, eine der Gerechtigkeit entsprechende Strafe anzubieten?

Hier ist das wunderbare Geheimnis der Güte des Allerhöchsten verborgen. Spontan rufen wir aus: „Oh Tiefe des Rates meines Gottes, der reich an Erbarmen ist!" Lernen wir von unserem guten Meister, meine Töchter und jedes Mal, wenn wir verletzt, beleidigt, schlecht behandelt werden, dann denken wir an seine Barmherzigkeit.

Meine Töchter, bedenken wir, wie schwarz die Sünde sein muss, wenn sie nur vom Blut eines Gottes getilgt werden kann. Und trotzdem begehen wir, Jesus geweihte Seelen, Sünden aufgrund der Härte unseres Herzens und weinen nicht angesichts der folgenden Gedanken: „Um die Sünde zu tilgen, genügte die Sintflut nicht und es genügte nicht, dass alle Verbrecher ohne Ausnahme unter ihren Wellen versanken. Um den Zorn Gott zu besänftigen, war eine andere Flut notwendig – die Flut des göttlichen Blutes, die die ethische Ordnung wiederherstellen konnte."

Sind es vielleicht meine Sünden, meine persönlichen Verfehlungen, die Ausschweifungen, denen ich mich hingebe, getrieben von der Heftigkeit meiner Leidenschaften, die meinen süßen Jesus ans Holz der Schmach geheftet haben mit schrecklichen Nägeln? Betrachten wir ihn und rufen wir aus: „Siehe, das Lamm Gottes, geopfert um meine Sünden und die Sünden der Welt hinwegzunehmen. Er hat mich geliebt und sich für mich bis in den Tod hingegeben."

Eilen wir zum guten Jesus, meine Töchter. Bitten wir um Verzeihung für unsere Sünden. Beichten wir gut und mit echter Reue. Bitten wir, dass er uns helfe, den alten Menschen und seine Taten abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen, d.h. den Menschen, der sich durch die Erkenntnis Gottes erneuert nach dem göttlichen Bild und Gleichnis, nach dem Vorbild Jesu.

Der Satz des heiligen Paulus möge uns Furcht einflößen: Das Land, das mit reichem Regen gesegnet war, bringt nur Dornen und Mühsal hervor; es ist verfluchter Boden, der Missfallen erregt und wird letztendlich den Flammen übergeben werden. (El pan 8, 914-935)


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ultimo aggiornamento 05 settembre, 2013